Products Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen
Division principale de la Sécurité des Installations Nucléaires
Divisione principale della Sicurezza degli Impianti Nucleari
Swiss Federal Nuclear Safety Inspectorate
Products    Eidgenössiche Technische Hochschule
  Ecole polytechnique fédérale de Zurich
 Politechnico federale svizzero di Zurigo
Zürich Swiss Federal Institute of Technology Zurich



Georg F. Schwarz, L. Rybach, Chr. Bärlocher
Aeroradiometrische Messungen im Rahmen der Übung ARM96


Bericht für das Jahr 1996 zuhanden der Fachgruppe Aeroradiometrie (FAR)



März 1997

Inhaltsverzeichnis

1 Zusammenfassung
2 Einleitung
3 Test und Kalibration des neuen Messgerätes
3.1 Spectral Stripping
3.2 Helikopter-Hintergrung/kosmische Strahlung
3.3 Abschwächungskoeffizient der Luft
3.4 Detektorempfindlichkeit
3.5 Umrechnung in Dosisleistung
4 Messergebnisse
4.1 Einleitung
4.2 Messgebiete KKL und KKB/PSI
4.3 Messgebiet Magadino
4.4 Schrottplätze
4.5 Messgebiet Rorschach
5 Perspektiven
6 Literaturverzeichnis


1 Zusammenfassung

Die Aeroradiometrieübung ARM96 vom 20. bis 24. Mai 1996 hatte neben der Festigung des Ausbildungsstandes der Messteams, drei Schwerpunktthemen: die praktische Erprobung des neu entwickelten Messgerätes, die Vermessung der Magadinoebene und Stichprobenmessungen über ausgewählten Schrottlagern im Hinblick auf radioaktive Teile.

1996 konnte das neue Messsystem erstmals produktiv eingesetzt werden. Für die Tests wurden zwei bereits mit dem Standardsystem vermessene Gebiete nochmals mit dem neuen System vermessen. Das neue Messgerät hat sich in diesem Einsatz bewährt und lieferte im Rahmen der reduzierten Detektorempfindlichkeit vergleichbare Ergebnisse. Mit Hilfe der zwei Vergleichsmessungen konnte auch eine erste Grobkalibration vorgenommen werden.

Das Tessin war wegen der Wettersituation im Mai 1986 am meisten vom Fallout von Tschernobyl betroffen. Auch heute noch weist das Gebiet die höchsten Konzentrationen von künstlichen radioaktiven Isotopen in der Schweiz auf. 1996 wurde ein Gebiet in der Magadinoebene flächendeckend vermessen. Die Messungen bestätigten die mit in-situ-gammaspektrometrischen Bodenmessungen gefundenen hohen Cs-137 Aktivitäten.

Durch unsachgemässe Entsorgung gelangen immer wieder radioaktive Quellen zusammen mit Schrott in die Stahlwerke. Bei der Aufschmelzung des Schrottes wird diese Radioaktivität freigesetzt und kann sehr grosse Stahlmengen kontaminieren. Auf Anregung der SUVA wurden versuchsweise drei schweizerische Schrottplätze untersucht. An keinem Standort konnte eine erhöhte Aktivität festgestellt werden. Die gemessenen Werte liegen alle im Bereich des natürlichen Hintergrundes.

Im Rahmen der zweijährlichen aeroradiometrischen Überwachung der Kernanlagen wurden die Kernkraftwerke Beznau und Leibstadt sowie das Paul Scherrer Institut vermessen. Die Resultate zeigten das übliche Bild. Beim Paul Scherrer Institut wird die Direktstrahlung der Lagerstätten für radioaktive Komponenten (PSI-West) resp. Abfälle (PSI-Ost) erfasst. Auch der Siedewasserreaktor KKL konnte anhand der N-16-Direktstrahlung sehr gut detektiert werden. Das KKB weist eine sehr geringe Gesamtstrahlung auf und konnte in den Messungen von 1996 nicht erfasst werden. Sonst kann ausserhalb der umzäunten Areale der Kernanlagen keine erhöhte künstliche Radioaktivität, die nicht durch Tschernobyl oder die Kernwaffenversuche der sechziger Jahre erklärt werden kann, nachgewiesen werden. Der Aktivitätspegel in der Umgebung ist über die letzten acht Jahre etwa konstant geblieben.

Schliesslich wurden im Zusammenhang mit der Übung NARASG zwei Gebiete im Kanton St. Gallen vermessen.

 

2 Einleitung

Grundsätzliches

Aeroradiometrische Helikoptermessungen erlauben eine schnelle und flächendeckende Erfassung der künstlichen und natürlichen Radioaktivität des Bodens. Die Messungen erfolgen mit einem hochempfindlichen Detektor für Gamma-Strahlen. Neben der Bestimmung der Strahlungsstärke, können anhand der Energie der ausgesandten Strahlung auch künstliche und natürliche Strahlenquellen unterschieden werden.

In der Zeit von 1989 bis 1993 wurde die Umgebung der schweizerischen Kernanlagen jährlich aeroradiometrisch vermessen. Dazu wurde eine spezielle Methodik (Datenakquisition, Datenverarbeitung, Kartierung) entwickelt und angewandt.

Seit 1994 ist die Aeroradiometrie in die Einsatzorganisation Radioaktivität des Bundes integriert. Als mögliche Einsatzfälle stehen Transport- und Industrieunfälle mit radioaktivem Material, KKW-Störfälle und Satellitenabstürze im Vordergrund. Der Einsatz erfolgt unter der Regie der Nationalen Alarmzentrale (NAZ). Unterhalt und die Bereitstellung des Messsystems werden weiterhin vom Institut für Geophysik der ETHZ übernommen.

Als beratendes Gremium der NAZ besteht die Fachgruppe Aeroradiometrie (FAR). Sie setzt sich aus Experten der SUeR, KUeR, HSK, Inst. für Geophysik der ETHZ, SGPK, KOMAC, PSI und IRA zusammen. Neben der Beratung in fachtechnischen Belangen übernimmt die FAR Auswertungen und Dateninterpretationen, die über die reine Routineauswertung hinausgehen. Sie legt das jährliche Messprogramm fest.

Messgerät

Für die Messflüge wird ein Super-Puma-Helikopter der Armee eingesetzt. Dieser Helikoptertyp bietet sehr gute Navigationsmöglichkeiten und erlaubt durch seine Blindflugtauglichkeit auch Notfalleinsätze bei schlechtem Wetter.

Das Messsystem besteht aus einem NaI-Detektor mit einem Volumen von 17 Litern. Als Spektrometer wird ein für Luftaufnahmen ausgelegtes 256-Kanal-Spektrometer verwendet. Die Steuerung des Systems erfolgt mit einem Industrie-PC. Die Daten werden auf PCMCIA-Memorykarten gespeichert.

Die Positionsbestimmung des Helikopters erfolgt mit dem satellitengestützten Positionierungssystem GPS. Zusätzlich zu den Radioaktivitätsdaten werden laufend Radarhöhe, Luftdruck, Aussentemperatur und die Lagewinkel des Helikopters aufgezeichnet.

Messflüge

Gammaspektrometrische Messungen können auch am Boden durchgeführt werden. Der Hauptgrund warum sie aus der Luft gemacht werden ist die Messgeschwindigkeit. Mit luftgestützten Messungen kann in derselben Zeit eine rund 2'500 mal grössere Fläche abgedeckt werden als mit vergleichbaren Bodenmessungen und dies auch in unzugänglichen Gebieten.

Um das Messgebiet gleichmässig abzudecken, werden die Flüge in einem regelmässigen Raster durchgeführt. Der Abstand zwischen den einzelnen Fluglinien beträgt 250m, die Flughöhe 90m über Grund.

Auswertung

Das Auswerteverfahren für aeroradiometrische Daten ist in Schwarz (1991) beschrieben. Bei der Interpretation von aeroradiometrischen Karten ist zu beachten, dass die Messungen aus der Luft immer einen Mittelwert über ein Gebiet von 300m x 300m darstellen. Zum Vergleich: Bodenmessungen decken nur eine Fläche von rund 100 m2 ab.

 

3 Test und Kalibration des neuen Messgerätes

Um die Einsatzbereitschaft der Aeroradiometrie zu erhöhen, wurde 1995 vom Institut für Geophysik der ETHZ im Auftrag der NAZ ein zweites Messsystem gebaut. Es weist weniger Detektorleistung als das bisherige System auf und ist vor allem für Fälle mit starker Geländeverstrahlung vorgesehen. Ansonsten enthält es die gleichen Komponenten. Dadurch ist sichergestellt, dass im Notfall immer eine Redundanz vorhanden ist.

1996 konnte das neue Messsystem (Messgerät B) erstmals produktiv eingesetzt werden. Für die Tests wurden zwei bereits mit dem Standardsystem (Messgerät A) vermessene Gebiete (PSI und Rorschach B) nochmals mit dem neuen System vermessen. Das neue Messgerät B hat sich in diesem Einsatz bewährt und lieferte im Rahmen der reduzierten Detektorempfindlichkeit vergleichbare Ergebnisse (siehe 4.5).

Die Vergleichsmessungen wurden auch für die im Folgenden beschriebene Grobkalibration herangezogen.

3.1 Spectral Stripping

Die Streufaktoren werden hauptsächlich durch das Volumen und die Geometrie der einzelnen Detektorkristalle bestimmt. Beim neuen Messgerät B kommt der gleiche Detektortyp (Exploranium GPX 256) wie beim Standardgerät A zum Einsatz. Das neue Gerät verfügt jedoch nur über ein statt vier Detektorkristalle.

Die Streufaktoren des Messgerätes B wurden mittels Messungen mit Punktquellen überprüft (Bestimmungsverfahren siehe Schwarz, 1991). Die Überprüfung lieferte (im Rahmen der Fehlergrenzen) sehr ähnliche Resultate wie die früheren Streufaktorenbestimmungen. Für die Auswertung wurden deshalb die am 6.8.1992 ermittelten Werte verwendet (Tabelle 1).

Tabelle 1: Streufaktoren für Spectral Stripping

Quellen

Fenster

Cäsium

Kobalt

Kalium

Uran

Thorium

  fji Dfji fji Dfji fji Dfji fji Dfji fji Dfji
Cäsium 1.00

0.12 0.01 0.13 0.05 3.87 0.11 1.82 0.08
Kobalt 0.00 0.00 1.00

0.30 0.07 1.96 0.07 0.39 0.03
Kalium 0.00 0.00 0.15 0.01 1.00

0.69 0.04 0.28 0.02
Uran 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 1.00

0.21 0.02
Thorium 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.06 0.01 1.00

3.2 Helikopter-Hintergrund/ kosmische Strahlung

Die Bestimmung des Helikopterbackgrounds und der kosmischen Strahlung erfolgt optimalerweise in grossen Flughöhen über einem möglichst grossen See. Im Messprogramm 1996 waren keine solchen Flüge vorgesehen. Für die Bestimmung des Helikopter-Hintergrundes wurden deshalb die Messungen in der Gegend von Rorschach herangezogen.

Weil die Streufaktoren hauptsächlich durch das Volumen und die Geometrie der einzelnen Detektorkristalle bestimmt werden, wurden die kosmischen Streufaktoren (in Analogie zu den spektralen Streufaktoren) unverändert vom Standardsystem übernommen.

Unter dieser Annahme kann der Helikopter-Hintergrund anhand von Messpunkten über Wasser bestimmt werden. Dazu wird in einem ersten Schritt der Beitrag der kosmischen Strahlung mit Hilfe der kosmischen Streufaktoren entfernt. Weil die terrestrische Strahlung durch das Wasser vollständig absorbiert wird, verbleibt danach nur noch der Beitrag des gesuchten Helikopter-Hintergrundes im jeweiligen Energiefenster.

Im Messgebiet Rorschach standen solche über Wasser erhobenen Messwerte zur Verfügung. Die Resultate der Helikopter-Hintergrundbestimmung sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Zum Vergleich sind die korrespondierenden Werte des Messgerätes A aufgeführt. Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, sind die Hintergrundwerte des neuen Messsystems ziemlich genau viermal kleiner als die jeweiligen Werte des Standardsystems, was dem Verhältnis der Detektorempfindlichkeit der beiden Systeme entspricht.

Tabelle 2: Helikopter-Hintergrund IB und kosmische Streufaktoren SC der beiden Messgeräte A und B (Messgerät A: Kalibrationsflug vom 31.7.92 über dem Neuenburgersee, Messgerät B: Kalibration anhand der Messungen im Gebiet Rorschach vom 24.5.96).

Fenster Messgerät A Messgerät B
  IB SC IB SC
Total 135 0.909 35 0.909
Kalium 11.2 0.046 3.0 0.046
Uran 6.3 0.038 1.3 0.038
Thorium 2.7 0.045 0.6 0.045
Cäsium 24.9 0.083 6.5 0.083
Kobalt 15.4 0.095 3.5 0.095
MMGC1 116 0.650 25 0.650
MMGC2 24.7 0.248 6.0 0.248

3.3 Abschwächungskoeffizient der Luft

Die Abschwächungskoeffizienten der Luft werden nicht durch den verwendeten Detektor beeinflusst. Für die Auswertungen können die Koeffizienten des Standardsystems verwendet werden.

Tabelle 3: Abschwächungskoeffizienten der Luft

Fenster mMittel [m–1] Fenster mMittel [m–1]
Total 0.0060 Cäsium 0.0100
Kalium 0.0080 Kobalt 0.0080
Uran 0.0055 MMGC1 0.0060
Thorium 0.0060 MMGC2 0.0065

3.4 Detektorempfindlichkeit

Durch das viermal kleinere Detektorvolumen des neuen Messgerätes ist auch die Detektorempfindlichkeit viermal kleiner. Als Grundlage für die in Tabelle 4 zusammengestellten Werte dienten die Werte des Standardgerätes (Schwarz et al., 1994).

Tabelle 4:Detektorempfindlichkeit Messgerät B

Fenster Isotop Aktivität
[Bq]
Erzeugte
Dosisleistung
[nSv/h]
Detektor-
empfindlichkeit
[cps/100 Bq]
Cäsium Cs-137

100

17

12.5

Kalium K-40

100

5

3.0

Uran Bi-214

100

52

8.3

Thorium Tl-208

100

73

15.0

3.5 Umrechnung in Dosisleistung

Für die Praxis wird oft eine einfache Methode benötigt, um die aeroradiometrisch gemessenen Werte näherungsweise in die entsprechende Dosisleistung umzurechnen. Dafür können zwei Methoden verwendet werden:

Methode 1: In einem ersten Schritt werden die korrigierten Messdaten des Cäsium-, Kalium-, Uran- und Thoriumfensters mit den in Tabelle 4 zusammengestellten Detektorempfindlichkeiten (Kolonne 4) in Aktivitätskarten umgerechnet. Mit den Werten in Kolonne 4 lassen sich diese Aktivitäten in die zugehörige Dosisleistung umrechnen. Abschliessend werden die so berechneten Dosisleistungen zusammengezählt, um die entsprechende Bodendosisleistung (in 1 m über Grund) zu berechnen.

Methode 2: Die Rohdaten des Totalfensters minus den Helikopter-Hintergrund multipliziert mit einem Konversionsfaktor ergeben in allererster Näherung ebenfalls ein Mass für die Dosisleistung. Beim Messgerät B beträgt der Helikopterbackground im Totalfenster 35 cps und der Konversionsfaktor 0.60 nSv/h pro cps.

Methode 2 ist relativ ungenau. Trotzdem ist eine grobe und schnelle Faustformel zur Dosisleistungsberechnung im Feld sehr nützlich.

 

4 Messergebnisse

4.1 Einleitung

Die Messungen von 1996 erfolgten mit einem Super-Puma der Armee im Rahmen der Übung ARM96 in der Zeit vom 20.5.1996 bis zum 24.5.1996. Die Übung stand unter der Leitung von Dr. D. Frei (NAZ). Insgesamt wurden acht Messgebiete beflogen.

Die Aeroradiometrieübung ARM96 hatte neben der Festigung des Ausbildungsstandes der Messteams, drei Schwerpunktthemen: die praktische Erprobung des neu entwickelten Messgerätes, die Vermessung der Magadinoebene und Stichprobenmessungen über ausgewählten Schrottlagern im Hinblick auf radioaktive Teile.

Im Rahmen der zweijährlichen aeroradiometrischen Überwachung der Kernanlagen wurden diesmal die beiden Messgebiete KKL und KKB/PSI vermessen. Beide Gebiete wurden im Auftrag der HSK bereits mehrmals vermessen. Die Flüge wurden auch 1996 mit denselben Flugparametern (siehe Tabelle 5) und entlang derselben Flugwege wie in den Jahren von 1990 bis 1993 (Schwarz et al., 1990, 1991, 1992, 1993) durchgeführt.

Schliesslich wurde im Rahmen der NARASG-Übung des Zivilschutz Sankt Gallen je ein Gebiet bei Rorschach und Altstätten beflogen.

Tabelle 5: Flugparameter für die Messflüge im Rahmen der Übung ARM96.

Messgebiet Längs-
linien-
abstand
[m]
Fläche
[km2]
Flug-
höhe
[m]
Flug-
richtung
[Grad]
Flugge-
schwin-
digkeit
[m/s]
Sample-
intervall
[s]
Beznau/PSI 250 55 100 40/220 30 1
Leibstadt 250 35 100 70/250 30 1
Magadino 250 21 120 20/200 30 1
Schrottplätze 125 3 x 1 100 - 30 1
Rorschach 250 25 120 90/270 30 1
Altstätten 250 7 120 90/270 30 1
Rorschach B 250 25 90 90/270 30 1
PSI 250 15 90 40/220 30 1

Die genauen Flugdaten sind in Tabelle 6 zusammengestellt. Für die Vermessung der insgesamt 775 km Messstrecke und der Kalibrationsflüge wurden rund 14 Flugstunden benötigt.

Tabelle 6: Zusammenstellung der Flugdaten 1996

Messgebiet Flug-
Nummern
Datum Fluglinien Eff. Messzeit
[s]
Flugstrecke
[km]
Beznau/PSI 9610
9611
9616
20.5.96
20.5.96
21.5.96
8-19
1-7
20-27
3600
2600
3200
300

Leibstadt 9615 21.5.96 1-20 3600 120
Magadino 9618
9619
9620
22.5.96
22.5.96
22.5.96
5-8/11
1-4
9-10
1400
1000
800
66
Schrottplätze 9614
9617
9621
21.5.96
20.5.96
22.5.96
1-3
1-3
1-3
200
200
250
3 x 4
Rorschach 9613 21.5.96 1-15 2600 84
Altstätten 9612 21.5.96 1-8 1400 24
Rorschach B 9622
9623
24.5.96
24.5.96
1-6
7-15
1600
1400
116
PSI 9624 24.5.96 14-22 1500 53

Die auf den folgenden Karten dargestellten Werte wurden durch die Ausführung sämtlicher in Schwarz (1991) beschriebenen Korrekturen berechnet. Die Kartendarstellung der Resultate erfolgten in schweizerischen Landeskoordinaten. Die Pixelgrösse beträgt 125x125m. Ausser für die Flugwegkarten, wird für die Darstellung der gemessenen bzw. berechneten Werte eine lineare 25-stufige Farbskala verwendet (blau-cyan-grün-gelb-rot Þ zunehmende Werte). Die Wertebereiche der Grundfarben sind in der Kartenlegende angegeben. Ferner wird in den Kartenlegenden der Mittelwert, dessen Standardabweichung sowie Minimum und Maximum aller Daten im Messgebiet aufgeführt.

4.2 Messgebiete KKL und KKB/PSI

Die beiden Gebiete wurden auf einer Karte zusammengefasst. Es wurde eine Ortsdosisleistungskarte (ODL), eine Karte der Cs-137 Aktivität sowie eine Karte des MMGC-Ratios erstellt.

Der Siedewasser-Reaktor KKL war während der Messungen in Betrieb. Durch die Frischdampfleitung gelangt das Aktivierungsprodukt N-16 (aus der Reaktion O-16(n,p)N-16, T1/2=7.3s) ins Maschinenhaus. Da das Dach des Maschinenhauses vergleichsweise wenig abgeschirmt ist, kann die hochenergetische Gammastrahlung des N-16 (zwei Gammalinien bei 6.13 MeV und 7.11 MeV) aus der Luft sehr gut detektiert werden. Die Streustrahlung der ausgesandten N-16-Quanten kann im gesamten Spektrum festgestellt werden.

Die hochenergetische Stickstoffstrahlung ist bei der Auswertung der Daten störend. Weil nicht dieselben Strippingfaktoren wie für die kosmische Strahlung gelten, werden alle Fenster beeinflusst. Während in den Hochenergie- und Summen-Fenstern zu hohe Werte auftreten, ergeben sich im Cäsiumfenster und im MMGC-Ratio durch die Strippingkorrektur zu niedrige Werte.

Die ODL wurde anhand der Totalzählraten mit dem einfachen Modell abgeschätzt (Methode 2, siehe 3.5). Dabei blieben die Stickstoffstrahlung und auch die Quellgeometrie unberücksichtigt. Dies führt insbesondere bei den Spitzenwerten beim KKL und beim PSI zu relativ grossen Fehlern (bis ±50%).

Figur 1: Flugwegkarte Messgebiete KKL und KKB/PSI

 

Die Flugwege wurden mit dem Satellitennavigationssystem GPS bestimmt. PSI-West ist mit einem offenen Dreieck, PSI-Ost mit gefülltem Dreieck gekennzeichnet. Die Position von KKL bzw. KKB wird durch ein offenes bzw. gefülltes Quadrat markiert. Die Symbole kennzeichnen jeweils die Mitte der Areale.

Figur 2: Ortsdosisleistung (nSv/h) Messgebiete KKL und KKB/PSI

 

Durch den N-16-Effekt ist der Standort des KKL auf der Ortsdosisleistungskarte klar ersichtlich. Auch die beiden Standorte des PSI sind deutlich erkennbar. Die aus der Luft bestimmten Spitzenwerte der Ortsdosisleistungen von 2000 nSv/h (17.5 mSv/a) für das KKL, 670 nSv/h (5.9 mSv/a) für das PSI-Ost und 240 nSv/h (2.0 mSv/a) für das PSI-West stellen eine grobe Näherung des tatsächlichen Wertes dar. So wurden bei der Berechnung der Ortsdosisleistung weder Quellgeometrie noch der ausgeprägte hochenergetische Strahlungsanteil der N-16-Strahlung berücksichtigt. Bodenmessungen am PSI ergaben Werte von 2 mSv/a (PSI-Ost) bzw. 1 mSv/a (PSI-West).
Das KKB kann auf der OLD-Karte nicht ausgemacht werden. In der Umgebung der Kernanlagen treten durchwegs normale Werte auf. Die grossräumige Variation der Werte korreliert gut mit den Unterschieden in der Vegetation (Wiesen Þ hoch, Wald und Flüsse Þ niedrig).

 

Figur 3: Cs-137 Aktivität (Bq/kg) Messgebiete KKL und KKB/PSI

 

Wegen der Störung durch die N-16-Strahlung ist das KKL in der Cs-137 Karte nicht zu erkennen. Die beiden Standorte des PSI treten deutlich hervor. In der Umgebung der Kernanlagen treten durchwegs normale Werte auf.

 

Figur 4: MMGC-Ratio (%) Messgebiete KKL und KKB/PSI

 

Die Standorte des PSI treten deutlicher in Erscheinung. Der Standort des KKB ist nicht erkennbar. Bei der Koordinate 657500/264500 kann ein erhöhter Wert beobachtet werden. Diese Erhöhung wurde, wenn auch weniger deutlich, bereits bei früheren Flügen erfasst und auch in-situ-gammaspektrometrisch vermessen (Schwarz et al., 1989–93). Eine Wiederholung dieser Bodenmessungen wäre interessant.
Wegen der hochenergetischen N-16-Strahlung wird der MMGC-Ratio über dem KKL sehr klein. Der Standort des KKL kann anhand der niedrigen Werte klar identifiziert werden.

4.3 Messgebiet Magadino

Das Tessin war wegen der Wettersituation im Mai 1986 am meisten vom Fallout von Tschernobyl betroffen. Auch heute noch weist das Gebiet die höchsten Konzentrationen von künstlichen radioaktiven Isotopen in der Schweiz auf.

Erste aeroradiometrische Messungen in der Magadinoebene wurden 1991 organisiert. Dabei wurden an fünf in-situ-gammaspektrometrisch vermessenen Punkten, Steigflüge zu Kalibrierzwecken durchgeführt (Schwarz et al. 1991). 1996 wurde das Gebiet nun flächendeckend vermessen. Das Messgebiet deckt die Gegend zwischen Cugnasco, Cadenazzo, St. Antonio und Gubiasco ab. Die Messungen bestätigten die mit in-situ-gammaspektrometrischen Bodenmessungen gefundenen hohen Cs-137 Aktivitäten (BAG, 1996).

Figur 5: Cs-137 Aktivität (Bq/kg) Messgebiet Magadino

 

Die höchsten Cs-137-Werte mit einem Maximum von 263 Bq/kg treten im Westen des Messgebietes im Bereich der Sümpfe entlang des Ticino auf. Die Cs-137-Verteilung korreliert mit der Landnutzung. In landwirtschaftlich genutzten Flächen wurde das 1986 abgelagerte Cs-137 untergepflügt. Durch diese vertikale Durchmischung wurde die Konzentration erniedrigt. In ungenutzten Flächen liegt das Cs-137 immer noch nahe der Erdoberfläche. Dies äussert sich in relativ hohen Konzentrationen von über 200 Bq Cs-137 pro kg Boden.

Figur 6: K-40 Aktivität (Bq/kg) Messgebiet Magadino

 

Figur 7: Bi-214 Aktivität (Bq/kg) Messgebiet Magadino

 

Figur 8: Tl-208 Aktivität (Bq/kg) Messgebiet Magadino

 

4.4 Schrottplätze

Nach Angaben von Nuclear News ereignen sich weltweit im Mittel fünf Fälle von unsachgemässer Entsorgung von radioaktiven Quellen pro Jahr. Diese Quellen gelangen meist zusammen mit Schrott in die Stahlwerke. Bei der Aufschmelzung des Schrottes wird diese Radioaktivität freigesetzt und kann sehr grosse Stahlmengen kontaminieren.

So wurde 1984 in einem Stahlwerk in Juarez (Mexico) eine Co-60 Quelle eingeschmolzen. Die Kontamination wurde erst drei Monate später entdeckt, als ein mit Baustahl beladener Lastwagen die Detektoren des Los Alamos Testgeländes passierte. Der kontaminierte Stahl musste unter enormen Kosten in ganz Nordamerika zusammengesucht werden. Dabei mussten auch mehrere Häuser abgebrochen werden.

Die frühzeitige Lokalisierung solcher Quellen im Schrott ist deshalb nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen von grosser Bedeutung. Viele Stahlwerke haben grosse Detektoren installiert, um das eingehende Material auf Radioaktivität zu untersuchen. Die Detektion gestaltet sich in der Praxis jedoch sehr schwierig, weil die Quellen meist in ihren Abschirmbehältern vorliegen und deshalb nur wenig Strahlung nach aussen abgeben. Nähere Angaben zur Problematik finden sich in Cox (1995).

Ist die Quelle nicht im Abschirmbehälter oder liegt eine oberflächliche Kontamination des Schrottes vor, ist die Detektion prinzipiell auch mittels Aeroradiometrie möglich. Die aeroradiometrischen Messungen können somit erste grobe Hinweise auf eine Kontamination bringen, sie können jedoch die regelmässige Kontrolle am Boden nicht ersetzen.

Auf Anregung der SUVA wurden versuchsweise drei schweizerische Schrottplätze untersucht. Als Testfälle wurden die Max Maag AG in Winterthur, die Neomontana AG in Zürich-Altstetten und die Von Moos Stahl AG in Emmenbrücke ausgewählt. Über jedem Standort wurden drei kurze Fluglinien in einem Abstand von je 125 m vermessen.

Figur 9a: Messungen über Schrottplätze der Firma
Max Maag AG, Werkstrasse 12, 8400 Winterthur (Abbildung: Frei, 1996)

 

Figur 9b: Messungen über Schrottplätze der Firma
Neomontana AG, Vulkanstrasse 112, 8048 Zürich-Altstetten

 

Figur 9c: Messungen über Schrottplätze der Firma
Von Moos Stahl AG, 6020 Emmenbrücke

Erwartungsgemäss konnte an keinem Standort eine erhöhte Aktivität festgestellt werden. Die gemessenen Werte liegen alle im Bereich des natürlichen Hintergrundes.

 

4.5 Messgebiet Rorschach

Das Messgebiet Rorschach wurde mit beiden Messgeräten vermessen. In den Beilagen sind für jedes Messgerät je eine ODL- und eine K-40-Karte aufgeführt, wobei die Karten des Messgerätes B mit den neu bestimmten Kalibrationskonstanten berechnet wurden. Wie aus den Beispielen ersichtlich ist, stimmen die Resultate gut überein.

Die übrigen Resultate der Messungen im Rahmen der Übung NARASG sind in Leonardi (1996) zusammengestellt.

Figur 10: Ortsdosisleistung (nSv/h) Messgebiet Rorschach (Messgerät A)

 

 

Figur 11: Ortsdosisleistung (nSv/h) Messgebiet Rorschach (Messgerät B)

 

Figur 12: K-40 Aktivität (Bq/kg) Messgebiet Rorschach (Messgerät A)

 

Figur 13: K-40 Aktivität (Bq/kg) Messgebiet Rorschach (Messgerät B)

 

5 Perspektiven

Aerogammaspektrometrie wird in Europa gegenwärtig in acht Ländern eingesetzt, wobei hinsichtlich Messeinrichtungen, Methodologie und Erfahrung noch erhebliche Unterschiede bestehen. Die rasche und flächendeckende Aerogammaspektrometrie kann insbesondere bei grenzübergreifenden Verstrahlungssituationen erfolgreich eingesetzt werden. Die Voraussetzung ist allerdings eine einheitliche Vorgehensweise. Während die Kalibrierung der natürlichen Radioelemente (K, U, Th) international standardisiert ist, fehlen bislang diesbezügliche Grundlagen für künstliche Radionuklide. Deshalb wurde zur Entwicklung standardisierter Mess-, Auswerte- und Kartierungsmethoden, zur Verbesserung transnationaler Datenkompatibilität sowie für den koordinierten Datenaustausch das EU-Forschungsprojekt "European Coordination of Environmental Airborne Gamma Ray Spectrometry (ECEAGS)" initiiert. Die Schweiz wird zu den Forschungsschwerpunkten Datenakquisition, Spektrumsanalyse und Bildverarbeitung mit vertiefenden Arbeiten beitragen. Die Projektarbeiten werden von der HSK finanziert und von der Forschungsgruppe Geothermik und Radiometrie, Institut für Geophysik der ETHZ durchgeführt.

1997 soll in einer grenzüberschreitenden Übung gemeinsam mit dem österreichischen Aeroradiometrieteam, ein Messgebiet in der Nähe von Nauders (östlich Unterengadin) beflogen werden. Mit zusätzlichen Steigflügen sollen auch die Grundlagen für einen Kalibrationsvergleich geschaffen werden. Zusätzlich sind in-situ-Gammaspektrometrie-Bodenmessungen vorgesehen (HSK und SUeR-Geräte).

 

6 Literaturverzeichnis

BAG, 1996: Umweltradioaktivität und Strahlendosen in der Schweiz, Bundesamt für Gesundheit, Bern.

COX, J.R., 1995: Radiation detection of buried shielded sources in vehicles loaded with scrap steel, Application of uranium exploration data and techniques in environmental studies, Proceedings of a technical Committee meeting held in Vienna, 9-12 November 1993, IAEA-TECDOC-827.

FREI, D., 1996: Kurzbericht der Aeroradiometrieflüge im Rahmen der Übung ARM96, Interner Bericht Nationale Alarmzentrale, Zürich.

LEONARDI, A., 1996: Übung NARASG vom 23.- 24. Mai 1996, Zusammenstellung der Messresultate (Anhang zum Übungsbericht), Interner Bericht Nationale Alarmzentrale, Zürich.

SCHWARZ, G.F., 1991: Methodische Entwicklungen zur Aerogammaspektrometrie. Beiträge zur Geologie der Schweiz, Geophysik Nr.23, Schweizerische Geophysikalische Kommission.

SCHWARZ, G.F., KLINGELE, E.E., RYBACH, L.: 1989, 1990, 1991, 1992, 1993: Aeroradiometrische Messungen in der Umgebung der schweizerischen Kernanlagen; Berichte für die Jahre 1989-1993 zuhanden der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK). Interne Berichte, Institut für Geophysik ETHZ, Zürich